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Der Radiosender hr3 hat zum Ganz nah – Konzert geladen! Gekommen sind neben der Band um Frontman Jan Josef Liefers auch etwa 170 Zuschauer. Kleine Runde, großes Feeling! „Ganz nah“ war an diesem Abend sprichwörtlich Programm! Zu kaufen gabs die Tickets für das Konzert nicht; wer dabei sein wollte, musste fest die Daumen drücken und bei einem Radiogewinnspiel von hr3 abräumen.

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Als Location für dieses intime Studiokonzert wurde der Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt gewählt. Dort herrschte Hörsaal-Atmosphäre, als die glücklichen Gewinner auf den Stufen des Foyers Platz nehmen konnten. Die Tatsache, dass die Bühne mit einem Teppich ausgelegt war, ließ sogar beinah das Gefühl eines Wohnzimmer-Konzerts aufkommen.

Als erstes auf die Bühne durfte hr3-Reporter Klaus Krückemeyer, der mit seiner Begrüßung „Der Weg zum Tatort wurde geschafft“ gleich darauf anspielte, wer hier später auf der Bühne stehen würde: Jan Josef Liefers, vielen vor allem wohl als Prof. Dr. Karl Friedrich Boerne aus dem Münsteraner Tatort bekannt.

Doch an diesem Abend hatte Liefers so gar nichts gemein mit dem aalglatten, zynischen, stets überkorrekten „KaEf“ des Tatort-Duos. An diesem Abend ging es allein um Gefühl. Und davon hatten auch die Zuschauer jede Menge und feierten Radio Doria vom ersten Song an. Wann hat man auch schon einmal die Chance, einen der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Schauspieler so nah zu erleben?

Und auch die Frage aller Fragen klärte sich, als Radio Doria die Bühne betrat. Trägt Jan Josef Liefers seinen berühmten Boerne-Bart?? Er trug ihn nicht, was darauf schließen lässt, dass aktuell keine Tatort-Dreharbeiten anstehen. Locker und äußerst sympathisch erschien er im Jeans-Look mit Hut und nahm die positive und enthusiastische Stimmung des Publikums sofort in sich auf.

Die vorgetragenen Songs an diesem Abend stammen aus dem neuen Album „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“, das am 12.09. in den Handel kommt. Liefers ist übrigens bereits seit 12 Jahren als Musiker unterwegs und ist dabei,  sich hier neben der Schauspielerei einen durchaus soliden Namen zu machen. Zu verdanken hat er dies seinem Berufswunsch aus der Kindheit. „Gitarrengott“ wollte er werden, wie er gestern erzählte. Nachdem sein Gitarrenlehrer ihn jedoch nicht die gewünschten Lieder wie „Hey June“ oder „Streets of London“ spielen ließ, sondern ihn vielmehr an wesentlich uncooleres Liedgut heranführte, sah Liefers dann nur einen Ausweg: Man muss die Lieder die einem gefallen dann eben selbst schreiben.
Seit 12 Jahren tut er dies nun erfolgreich mit seiner Band Radio Doria, die vormals unter dem Namen Oblivion auftrat.

Zum Repertoire gehörte u.a. der Song „Rückenwind“, der mein Lieblingszitat des Abends beinhaltet: „Der Weg ist das Ziel, doch dann steht das Ziel im Weg.“
Ähnlich weise, philosophisch und vor allem poetisch angehaucht ging es den Abend über weiter. Dabei wurde es jedoch bei keinem Lied kitschig oder flach. Manchmal ein wenig schwermütig, war es immer doch solider Deutschrock. Liefers beschreibt und besingt die Gedanken, die einem nachts durch den Kopf gehen und die einem manchmal den Schlaf rauben…eben „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“. Radio Doria hätte meiner Meinung wunderbar zu den DeutschPoeten gepasst, die vor einigen Tagen in Berlin aufgetreten sind.
Die Band macht keine Partymusik, es ist vielmehr eine Art von Kopffrei-Musik, die aber gleichzeitig auch zum Denken und Träumen inspiriert.

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Doch so ganz ohne tanz- und klatschbare Songs geht es natürlich auch bei Radio Doria nicht. So geschehen bei „Sehnsucht Nr.7“, einem Lied das beweist, dass Liebeslieder nicht immer nur voller Melancholie sein müssen, sondern sich auch locker und voller Rhythmus präsentieren können, inkl. Hüftschwung von Herrn Liefers.

Liefers hat schon einiges erlebt und gesehen in seinem Leben und verarbeitet auch persönliche Erlebnisse in seinen Songs, so den religiösen Fanatismus, der einer jungen Frau das Leben kostete, oder die unvergesslichen Eindrücke, die ihm der „Blutmond“ schenkte (danke auch an Gisbert an dieser Stelle für seine Mitarbeit bei diesem Song).

Liefers fühlte sich so wohl, dass er nicht nur bat, dass das gesamte Publikum „so wie es da sitzt“ auch zu seinem bald anstehenden Frankfurter Konzert in die Batschkapp kommen soll, sondern er es sich auch nicht nehmen ließ, eine kleine Runde durch die Sitzreihen zu drehen, um dem „Ganz nah – Konzert“ noch eine zusätzliche Steigerung zu geben.

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Immer wieder wurden kleine Geschichten erzählt, Komplimente ausgesprochen („Nur die Hessen schaffen es, schwierige Probleme so einfach zu lösen“), Anekdoten geteilt, Wissen vermittelt („Wie und wann benutzt man eigentlich Futur II?“) und wir alle erfuhren, dass „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens für Jan Josef Liefers ein „gottgegebenes Engtanz-Lied“ ist.

Kennt ihr diese Konzerte, bei denen einfach von Anfang an alles stimmt? Bei denen die Band schon mit einem Lächeln auf die Bühne kommt und sofort dieses Gefühl da ist: das wird ein guter Abend? So ein Konzert war das gestern. Und nicht nur mir ging es so, da bin ich mir sicher. Das Publikum war begeistert und wollte Radio Doria am liebsten gar nicht mehr gehen lassen. Daher gab es auch noch Song um Song als Zugabe und es wurde stehend applaudiert.

Auf die Frage Liefers, wie man sich am besten verabschiedet, gabs dann auch gleich die passende Antwort aus dem Publikum: „Gar nicht!“

Auch die Band genoß dieses besondere Erlebnis („Sehr aufregend für uns.“), war es doch das erste mal, dass akustisch und unplugged gespielt wurde, ohne Netz und doppelten Boden, ohne viel Rums und Schnörkelei; einfach nur handgemachte Musik mit ganz viel Leidenschaft. Minimale Technik, maximales Feeling!

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Es wäre natürlich kein echtes Frankfurter Konzert, wenn nicht auch ein wenig Lokalkolorit mitgeschwungen wäre. So wollte Liefers sich eigentlich Hessen-gerecht mit „Gude“ verabschieden, vermisste dann jedoch, dass der Ausdruck ein Wiedersehen impliziert und entschied sich dann doch für das hochdeutsche und altbewährte „Auf Wiedersehen“.

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It’s not over until it’s over war wohl das Motto des Abends, denn obwohl um 21.30 Uhr das Ende des Konzerts eingeläutet wurde, folgten dennoch viele schöne weitere Lieder.
Doch auch der stimmungsvollste Abend geht letztlich einmal zu Ende und man kann hr3 nur beglückwunschen, mit diesem Ganz nah – Konzert so etwas schönes auf die Beine gestellt zu haben!

Danke an das hr3-Team!

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